Berliner Kabarett "Sündikat" gewinnt den 6. Oelsnitzer Barhocker
Jury mit pointierten Attacken und spielerischer Glanzleistung überzeugt -
Gala am Sonnabend zählt über 500 Besucher - Skulptur bekommt Ehrenplatz in der Hauptstadt

Oelsnitz.
Das Berliner Kabarett "Sündikat" hat zur Samstags-Gala der "6. Oelsnitzer KabarettTage" den Kleinkunstpreis
"Oelsnitzer Barhocker" gewonnen. "Damit haben wir nicht gerechnet", bekannten Wolfgang Koch und Fabricio Fettig
nach der Preisverleihung und lobten ihre starke Konkurrenz: "Das hätte jedes der vier Kabaretts werden
können. Ich denke, die Jury hatte es nicht einfach." Sündikat hatte mit seinen politisch pointierten
Verbalattacken und einer spielerischen Glanzleistung am Ende die Nase vorn.
Im Programm "Wer lügt, gewinnt" ließen Koch und Fettig die Mitglieder des Bundestages am geistigen Auge
des Publikums vorbeidefilieren und hatten für jeden die ultimative Charakterisierung parat. Von Ulla Schmidt,
die vor ein paar Jahren noch dachte, Salmonellen seien eine Inselgruppe in der Südsee. Bis zu Markus Söder,
der viel sagt, wenn der Tag lang ist. Und bei Markus Söder sind die Tage immer lang.
Uber 5oo Besucher sahen zur Gala am Samstag zwanzigminütige Ausschnitte aller Programme auf der Bühne
im Saal. Einen Tag vorher erlebten hartgesottene Fans in Bar und Füllort je zwei Programme in voller Länge.
Wie gewohnt, wurde hochkarätige Kleinkunst geboten. Bei den vier Frauen des Kabaretts "Intakt" aus Hof ging
es um Konsum, Fernsehen oder auch "die existenzielle Entscheidung, kauf ich zweilagiges oder dreilagiges
Toilettenpapier". Der "Mannheimer Kulturknall" thematisierte in einer "Abschleppsatire" die Frage, was Mann und
Frau beim Kennenlernen eines potenziellen Partners denken und sagen. Das Leipziger "Ensemble Weltkritik" zeigte,
was passiert, wenn arbeitslose Akademiker vom Sachbearbeiter des Arbeitsamtes auf die Bühne gedrängt
werden. Die gewagte Behauptung "Stimmung ist unser zweiter Vorname" wurde beim spröden "Herrn Lühmlich"
alias Maxim Hofmann und seiner Partnerin Bettina Prokert auf subtile Art zur Tatsache.
Sündikat hatte mit den Parodiekünsten von Wolfgang Koch noch einen besonderen Trumpf im Ärmel.
Das kabarettistische Urgestein imitierte Peter Maffay, Udo Jürgens und als besonderes Schmankerl verkündete
er "Nachts, wenn alles schläft" mit der altbekannten Stimme von Howard Carpendale von illegalen Machenschaften,
die angesichts der einlullenden Melodie nur noch halb so schlimm waren.
Als Moderatorin führte Steffi Hofmann durch den langen Gala-Abend. Die 28-Jährige Schauspielerin von
"Thea(l)ternativ" hat einen Klasse-Einstieg in die Moderation auf die Bühne gelegt. Der Schwachpunkt des
Gala-Abends war die Technik. Aussetzer bei der Mikrofonanlage sorgten dafür, dass etliche Gags ungehört
verpufften. Die Veranstalter entschuldigten sich zwar beim Publikum, wussten aber letztlich nicht, woran es lag.
Man vermutet nun, dass zu viele Handys im Saal für die Störungen sorgten.
Den Gewinnern war das am Ende egal, denn das profilierte Berliner Ensemble wurde bisher mit Preisen nicht gerade
überschüttet und freute sich entsprechend über die Ehrung. "Dass wir in Oelsnitz einen Preis gewinnen,
freut uns besonders, denn wir haben in den goer Jahren schon mehrfach hier gespielt." Nach dem Kleinkunstpreis der
Stadt Lüdenscheid im Jahr 1991 ist der "Oelsnitzer Barhocker" der zweite Kleinkunstpreis, mit dem "Sündikat"
sich schmücken darf.
Die kleine Skulptur soll einen Ehrenplatz in der Berliner Spielstätte bekommen. (CZD)
(Freie Presse vom Montag, 04. Juni 2007)